„Zivil-militärische Zusammenarbeit“

Liebe Anwesende,
mein Thema lautet „zivil-militärische Zusammenarbeit“. Der Begriff ist ein klassischer Euphemismus, steht er doch für Militarisierung – für die Präsenz des Militärs in allen Bereichen gesellschaftlichen Lebens. Dies verdeutlicht bereits die offizielle Definition, die ich im ersten Teil meines Referats vorstellen werde. Danach befasse ich mich zunächst anhand von zwei Fallbeispielen mit der „zivil-militärischen Zusammenarbeit“ im Inland, wobei ich mich bemüht habe, meinem Vortrag ein bisschen Lokalkolorit zu geben: Ende Januar dieses Jahres fand in Nordrhein-Westfalen unter Beteiligung der Bundeswehr die Katastrophenschutzübung LÜKEX statt, die man besser als Bürgerkriegsmanöver bezeichnen sollte; wie an vielen anderen deutschen Hochschulen werden auch an der Ruhr-Universität Bochum so genannte wehrtechnische und wehrmedizinische Forschungsprojekte durchgeführt. Im Anschluss komme ich dann auf die „zivil-militärische Zusammenarbeit“ im Ausland zu sprechen. Dies geschieht am Beispiel der Kooperation der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) mit der Bundeswehr in Afghanistan – die GTZ ist eine der wichtigsten Durchführungsorganisationen der deutschen Entwicklungspolitik.

1. Die offizielle Definition „zivil-militärischer Zusammenarbeit“

Die Bundeswehr (Bw) definiert „zivil-militärische Zusammenarbeit“ (ZMZ) wie folgt: „ZMZ Bw umfasst alle Maßnahmen, Kräfte und Mittel, welche die Beziehungen zwischen Dienststellen der Bundeswehr auf der einen Seite und zivilen Behörden sowie der Zivilbevölkerung auf der anderen Seite regeln, unterstützen oder fördern. Dies gilt sowohl innerhalb Deutschlands als auch bei Einsätzen der Bundeswehr im Ausland.“1 Ähnlich umfassend und übergreifend beschreibt das „Weißbuch“ der Bundesregierung „zivil-militärische Zusammenarbeit“ – und zwar als „Integration politischer, militärischer, entwicklungspolitischer, wirtschaftlicher, humanitärer, polizeilicher und nachrichtendienstlicher Instrumente der Konfliktverhütung und Krisenbewältigung“.2 Begründet wird dieser „vernetzte Ansatz“ mit zunehmenden „Verflechtungen zwischen innerer und äußerer Sicherheit“.3

Über Sinn und Zweck der „zivil-militärischen Zusammenarbeit“ im Inland heißt es im Anschluss: „Die Abwehr terroristischer und anderer asymmetrischer Bedrohungen innerhalb Deutschlands ist vorrangig eine Aufgabe der für die innere Sicherheit zuständigen Behörden von Bund und Ländern. Jedoch kann die Bundeswehr zu ihrer Unterstützung mit den von ihr bereitgehaltenen Kräften und Mitteln immer dann im Rahmen geltenden Rechts zum Einsatz kommen, wenn nur mit ihrer Hilfe eine derartige Lage bewältigt werden kann, insbesondere wenn nur sie über die erforderlichen Fähigkeiten verfügt oder wenn die zuständigen Behörden erst zusammen mit Kräften der Bundeswehr den Schutz der Bevölkerung und gefährdeter Infrastruktur sicherstellen können.“4

Dem deutschen Militär zufolge besteht demgegenüber die Funktion der „zivil-militärischen Zusammenarbeit“ im Ausland – gemäß der NATO-Diktion auch als „Civil Military Cooperation“ (CIMIC) bezeichnet – darin, „der Truppe die Erfüllung ihres Auftrages (zu) erleichtern“.5 „CIMIC-Soldaten“ hätten in diesem Zusammenhang die Aufgabe, durch die Kommunikation mit der Bevölkerung, zivilen Behörden und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) Informationen zu beschaffen, die die Erstellung eines „zivilen Lagebildes“ für die Kommandoebene ermöglichen. Dieses umfasst laut Bundswehr unter anderem die Antworten auf folgende Fragen: „Wer sind die lokalen Entscheidungsträger? Welche Ethnien leben im Einsatzgebiet? Welche Organisationen arbeiten hier? Wie ist es um Infrastruktur, Bildung und Gesundheit der Bevölkerung bestellt? Wo lauern vielleicht latente Konflikte?“ Von den Streitkräften durchgeführte Infrastrukturprojekte seien daher stets nur Mittel zum Zweck: „CIMIC ist keine Entwicklungshilfe, sondern Bestandteil der militärischen Operationsführung.“

2. „Zivil-militärische Zusammenarbeit“ im Inland – zwei Fallbeispiele

Die „Krisenmanagementübung“ LÜKEX 2010 in NRW

Die bundesweite Katastrophenschutzübung LÜKEX – LÜK steht für „Länderübergreifendes Krisenmanagement“, EX für „Exercise“ – wird seit 2004 in unregelmäßigen Abständen abgehalten. Die Organisation liegt beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), dem vormaligen Bundesamt für Zivilschutz, das dafür eigens eine „Projektgruppe“ eingerichtet hat. Beteiligt sind offiziellen Angaben zufolge Landes- und Bundespolizei, medizinische Rettungsdienste wie etwa das Deutsche Rote Kreuz (DRK), Feuerwehr, Technisches Hilfswerk (THW), nicht näher benannte Geheimdienste und die Bundeswehr.6

Wie in allen anderen Bundesländern unterhält diese auch in Nordrhein-Westfalen – dem diesjährigen „Kernübungsland“ des LÜKEX-Manövers – ein so genanntes Landeskommando. Als dessen Chef fungiert Oberst Ralf Kneflowski; er ist damit der „erste Ansprechpartner“ der Landesregierung in allen Fragen der „zivil-militärischen Zusammenarbeit“.7 Kneflowski unterstehen fünf so genannte Bezirksverbindungskommandos, die den Regierungsbezirken zugeordnet sind, sowie 54 so genannte Kreisverbindungskommandos in Landkreisen und kreisfreien Städten. Diese setzen sich aus jeweils zwölf Reservisten im Offiziers- respektive Unteroffiziersrang zusammen – bei insgesamt 59 „Kommandos“ macht das 708 Soldaten, die bei Bedarf jederzeit zusätzlich für den „Heimatschutz“ mobilisiert werden können. Die Bezirksregierung Arnsberg, in deren Einflussbereich unter anderem Bochum liegt, sprach in einer Pressemitteilung denn auch von einem „stetig sich verdichtenden Netzwerk“ bestehend aus „vor Ort lebenden Reservisten“.8

Die Bundeswehr definiert die Aufgaben ihrer „Heimatschutzkommandos“ ebenso umfassend wie unspezifisch: Gemeinsam mit den zivilen Behörden sollen sie zur „Gefahrenabwehr“ beitragen und „Vorsorge gegen Risiken durch Mensch und Natur“ treffen.9 Somit sind Einsatzszenarien denkbar, die von Hilfsleistungen bei Überschwemmungen bis zur Niederschlagung von Streiks und Demonstrationen reichen – letzteres wurde anlässlich des G8-Gipfels in Heiligendamm ja auch exekutiert. LÜKEX 2010 nun diente der Vorbereitung auf Angriffe feindlicher Kombattanten im Inland, wobei die Organisatoren ganz offensichtlich davon ausgingen, dass diese einer Eskalation der deutschen Kriegspolitik geschuldet sind: Schauplatz der Übung war zwar primär der zivile Teil des Flughafens Köln-Bonn, jedoch sah das Manöverszenario vor, dass auch dessen militärischer Teil durch einen Terroranschlag „in Mitleidenschaft gezogen“ wird.10 Der Kölner Militärflughafen wiederum fungiert den deutschen Streitkräften zufolge als „Dreh- und Angelpunkt für den Personaltransport deutscher Soldatinnen und Soldaten in die verschiedenen Einsatzgebiete der Bundeswehr“.11

Im einzelnen sah der Ablaufplan von LÜKEX 2010 folgendes vor:12 Nach der Alarmierung des Landeskommandos Nordrhein-Westfalen und des Bezirksverbindungskommandos Köln am Nachmittag des 26. Januar wird am Morgen des 27. Januar zunächst eine auf dem Rollfeld des Kölner Flughafen stehende Passagiermaschine mit einer Rakete beschossen. Während die eingesetzten Rettungskräfte damit beschäftigt sind, den entstandenen Brand zu löschen und Verletzte zu bergen, zündet ein Selbstmordattentäter im stark frequentierten Abfertigungsterminal des Airports eine so genannte Schmutzige Bombe – einen konventionellen Sprengsatz, der bei seiner Explosion radioaktives Material in der Umgebung verteilt. Noch am Abend desselben Tages erfolgen Angriffe mit Chemiewaffen; betroffen sind Spieler und Besucher der Wettkämpfe der Handballvereine in Dormagen, Gummersbach und Lemgo.

Neben der Dekontamination und Behandlung von Verletzten probten zivile und militärische Einsatzkräfte bei diesen Gelegenheiten auch die Fahndung nach potentiellen Attentätern und die Bekämpfung einer Massenpanik. Die Proteste gegen die zivile Nutzung der Atomenergie nach dem Reaktorunfall im sowjetischen Kernkraftwerk Tschernobyl 1986 hätten gezeigt, hieß es zur Begründung, dass die „Anzahl der Menschen, die mit Besorgnis, Ängsten, Verunsicherung und psychischen Belastungsfolgen reagieren“, um ein „Vielfaches“ höher sei „als die Anzahl der tatsächlich exponierten und kontaminierten Personen“.13

Kriegs- und Rüstungsforschung an der Ruhr-Universität Bochum

Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) aufgelegten milliardenschweren Programms „Forschung für die zivile Sicherheit“ wurden allein an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) vier Rüstungsprojekte implementiert. Sie laufen allesamt noch bis 2011 respektive 2012 und erhalten vom BMBF Fördermittel in Höhe von insgesamt 2,4 Millionen Euro.14

Dass die genannten Forschungsvorhaben dem von Waffenschmieden wie Rheinmetall oder Diehl immer wieder geforderten Prinzip des „Dual Use“ entsprechen, also sowohl für den „Heimatschutz“ wie für die Kriegführung relevant sind, zeigen Arbeiten, die an der Fakultät für Maschinenbau durchgeführt werden. Wissenschaftler entwickeln hier unter der Bezeichnung „K-Robot“ eine „kognitive Erkundungsrobotik für den Ortungs- und Rettungseinsatz“.15 Die Bundeswehr setzt in Afghanistan mittlerweile vermehrt Roboter und unbemannte Flugkörper, so genannte Drohnen ein – bisher ähnlich den zivilen Anwendungen nur zu Erkundungszwecken, jedoch ist die gesamte Technologie, wie es im Militärjargon heißt, „aufwuchsfähig“ konzipiert, also mit Waffensystemen aller Art nachrüstbar. Ein Roboter sei „viel preiswerter als ein Panzer“ und könne „viel mehr als nur Fahren und Schießen“, erklären die deutschen Streitkräfte ebenso offen wie euphorisch.16 Seit 2007 verfügt das deutsche Militär über 60 unbemannte Flugkörper vom Typ KZO – „Kleinfluggerät Zielortung“ – aus dem Hause Rheinmetall. Wie das Unternehmen mitteilt, wurde die Drohne zur „Entdeckung, Identifizierung und genauen Lokalisierung“ potentieller Angriffsziele entwickelt; aufgrund ihrer „geringe(n) Abmessungen“ und einer „speziellen Tarnung in allen Spektralbereichen“ sei sie „nahezu unsichtbar“.17 Rheinmetall zufolge kann das „Aufklärungssystem“ KZO mit einer Kampfdrohne der israelischen Partnerfirma IAI gekoppelt werden – zur „punktgenaue(n) Bekämpfung stationärer und beweglicher Ziele“.18

Dem Prinzip des „Dual Use“ entspricht auch ein bei der Juristischen Fakultät der RUB angesiedeltes Projekt zur „Analyse von Personenbewegungen an Flughäfen“ mittels Videodaten:19 Kontroll- und Überwachungssysteme dieser Art sind – vergleichbar der Drohnentechnologie – prinzipiell auch zur Grenzsicherung und Überwachung militärischer „Checkpoints“ einsetzbar. Konkret befasst sich der Bochumer Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft in diesem Zusammenhang mit Fragen des „Sicherheitsgefühls“, der „Akzeptanz“ und der „Nutzerfreundlichkeit“;20 zumindest dem letzten Aspekt dürften auch Militärs einiges abgewinnen.

Die an den Fakultäten für Bau- und Umweltingenieurwissenschaften sowie Geowissenschaften der RUB implementierten Forschungsprojekte wiederum machen nur Sinn, wenn man analog den LÜKEX-Organisatoren davon ausgeht, dass die Eskalation der deutschen Kriegs- und Interventionspolitik zu einem verheerenden Angriff feindlicher Kombattanten im Inland führt. So befassen sich die Ingenieure mit dem „Schutz kritischer Brücken und Tunnel“;21 ein Vorhaben, über das das BMBF folgendes mitteilt: „Ausgangspunkt ist hier die sicherheitskritische Bedeutung von Brücken und Tunneln im Straßennetz, deren Beschädigung oder Zerstörung weit reichende Folgen für umliegende Straßen und einzelne Verkehrsteilnehmer hat sowie erhebliche volkswirtschaftliche Kosten verursachen kann. Ziele sind, interdisziplinär mögliche Gefährdungen solcher Bauwerke unter Berücksichtigung der aktuellen und der künftigen Bedrohungslage festzustellen, die wirksamsten Schutzmaßnahmen zu erarbeiten und damit die Verletzbarkeit deutlich zu verringern.“22

Passend dazu beschäftigen sich Geowissenschaftler der RUB mit Fragen der „organisationsübergreifende(n) Gefahrenabwehr zum Schutz von Menschen und kritischen Infrastrukturen durch optimierte Prävention und Reaktion“.23 Ziel des Forschungsprojekts ist laut BMBF die Erarbeitung einer „ganzheitliche(n) Lösung zur Verbesserung der Rettungs- und Schutzmaßnahmen nach einer Gefahrstofffreisetzung in U-Bahnen“. Ganz im Sinne der bei LÜKEX geprobten „zivil-militärischen Zusammenarbeit“ heißt es weiter: „Es wird ein System entwickelt, dass den Einsatzkräften im Krisenfall die Beurteilung der vorherrschenden und der voraussichtlichen Kontamination des U-Bahn-Systems ermöglicht und so ein zielgerichtetes Ableiten von Anweisungen und Hinweise an alle Beteiligten erlaubt.“24

Unmittelbar für die Kriegseinsätze des deutschen Militärs tätig wurde eine „Arbeitseinheit“ der Fakultät für Psychologie unter dem amtierenden Dekan Bernhard Zimolong; im Auftrag der Bundeswehr entwickelten die Forscher vier Jahre lang ein „Wehrpsychologisches Qualitätsmanagementsystem“. Explizites Ziel war es, den Psychologischen Dienst der Streitkräfte sowohl bei der „Eignungsfeststellung“ von Soldaten und Rekruten als auch bei deren „Einsatzvorbereitung, -begleitung und -nachbereitung“ zu unterstützen. Zwecks „Identifizierung und Prognose von Fehlern, ihrer Ursachen und ihrem Schadensumfang“ wurden Formblätter für Zeitpläne und Berichte, Interviewleitfäden und Checklisten entwickelt, um diese dann in ein entsprechendes Computerprogramm umzusetzen.25

3. „Zivil-militärische Zusammenarbeit“ im Ausland – GTZ und Bundeswehr in Afghanistan

Auch in den ausländischen Operationsgebieten des deutschen Militärs bezeichnet der Begriff „zivil-militärische Zusammenarbeit“ wie eingangs erwähnt offiziell die „Beziehungen zwischen Dienststellen der Bundeswehr auf der einen Seite und zivilen Behörden sowie der Zivilbevölkerung auf der anderen Seite“.26 Zu den besagten zivilen Behörden zählt unter anderem die im hessischen Eschborn beheimatete Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), die für die praktische Umsetzung der deutschen „Entwicklungshilfe“ zuständige Agentur des Bundes. Anlässlich eines entwicklungspolitischen „Studientages“ berichtete der GTZ-Mitarbeiter Bernd Hoffmann bereits 2003, dass die „Kooperation“ seines Hauses mit der Bundeswehr zum „Tagesgeschäft“ gehöre, schließlich arbeite die GTZ nicht nur für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), sondern ebenso „für zirka zehn weitere Ministerien“ – darunter „auch das Bundesverteidigungsministerium“.27 Der Vertreter des BMZ hatte zuvor den Studientag genutzt, um darauf hinzuweisen, dass ohnehin vielfach „humanitäre Aufgaben“ durch „militärische Budgets“ und „militärische Aufgaben“ durch „Entwicklungspolitik“ finanziert würden.28

Mittlerweile sind Kooperation und Mischfinanzierung Programm: Für das BMZ ist die „Wechselwirkung zwischen Sicherheit und Entwicklung“ nach eigenen Angaben von „zentraler Bedeutung“; man verfolge in dieser Hinsicht einen „ganzheitlichen Ansatz“.29 Die GTZ wiederum hat die Herstellung von „Sicherheit“ durch deutsche Truppen im Auslandseinsatz zu ihrem „Jahresthema 2009″ erkoren: Es gehe darum, die „gesellschaftliche Stabilität“ in den „Partnerländern“ der deutschen „Entwicklungszusammenarbeit“ zu „stärken“, erklärt die Organisation und verweist darauf, dass deutsche Entwicklungshelfer sich zunehmend „in einem unsicheren Umfeld“ bewegen und „unter schwierigen Bedingungen“ arbeiten müssten.30

Am weitesten gediehen ist die „zivil-militärische Zusammenarbeit“ zwischen GTZ und Bundeswehr in Afghanistan.31 Die für den Kontakt zur einheimischen Bevölkerung zuständigen Trupps der deutschen Streitkräfte („CIMIC-Teams“) werden in der Hauszeitschrift der GTZ als „Partner in Uniform“ bezeichnet: Sie fungierten „quasi als Bote(n) für die GTZ“ und übermittelten in deren Auftrag Anträge für lokale Entwicklungsprojekte, die dann „ohne Umwege über afghanische Institutionen“ implementiert würden; umgekehrt hörten die CIMIC-Teams „wie die Einheimischen denken“, was ebenfalls der „Projektarbeit“ der GTZ zugute komme. Eberhard Halbach, Chef des GTZ-Teams in Afghanistan, wird wie folgt zitiert: „Wir haben uns ganz bewusst für eine aktive Kooperation entschieden, weil wir gegenseitig um unsere Ziele wissen.“32

Ob Halbach diese auf Nachfrage auseinander halten könnte, scheint allerdings fraglich: Die erfolgreiche Bekämpfung von Aufständischen und der Schutz der eigenen Soldaten – die vorrangigen Ziele der Bundeswehr – sind nur zu erreichen, wenn zumindest für eine gewisse Akzeptanz der Besatzungstruppen bei der Bevölkerung gesorgt wird. Zum Zweck der „Force Protection“ wurde die GTZ denn auch mit der Durchführung „rasch sichtbarer Maßnahmen des Wiederaufbaus“ (Quick Impact Projects) in den nordafghanischen Operationsgebieten der deutschen Streitkräfte beauftragt. Eine Anfang 2006 vom Bundesverteidigungsministerium in Auftrag gegebene, von der GTZ betreute und anschließend als militärische Verschlusssache klassifizierte Studie trägt der Symbiose der beiden Institutionen Rechnung: Jan Koehler und Christoph Zürcher vom Sonderforschungsbereich 700 der Freien Universität Berlin (SFB 700)33 gehen darin der Frage nach, inwieweit Bundeswehr-Einheiten für so genannte Operative Information zu einer begleitenden Öffentlichkeitsarbeit für die Projekte der GTZ herangezogen werden können. Nach ausgiebigen „Feldforschungen“ unter dem Schutz der Truppe kamen die beiden Wissenschaftler zu folgenden Schlüssen: Zum einen müsse die Bundeswehr die GTZ „noch stärker … hinsichtlich Informationsbeschaffung und Analyse unterstützen“; dies liege „im militärischen Eigeninteresse“, da die Kooperation mit der Entwicklungsagentur helfe, „das Lagebild zu verbessern“ und die Verbindung zur afghanischen Bevölkerung „zu verstetigen“.34 Zum anderen solle die auf psychologische Kriegführung spezialisierte Truppe für Operative Information (OpInfoTr) eine „gezielte PR-Begleitung“ der GTZ-Projektarbeit übernehmen, schließlich stünden hierfür ein von den Psycho-Kriegern betriebener Radiosender und eine von diesen publizierte Zeitung zur Verfügung.35

Auch der kommerzielle Zweig der GTZ, die GTZ International Services, schreibt „zivil-militärische Zusammenarbeit“ ganz groß; in der hart umkämpften südafghanischen Provinz Uruzgan baut sie eine 40 Kilometer lange Straße. Die Niederlande, die dort als „Führungsnation“ den ISAF-Einsatz leiten, finanzieren das 15 Millionen Euro teure Projekt. Nach Angaben der GTZ soll die Straße den vor Ort ansässigen Bauern den Zugang zum Markt in der Provinzhauptstadt Tarin Kowt ermöglichen und als „Signal“ dafür fungieren, dass „der Westen seine Wiederaufbauversprechen entgegen der Taliban-Propaganda tatsächlich hält“. Es gehe darum, formuliert GTZ-Projektleiter Gert Both wortgleich mit Bundeswehrveröffentlichungen, „die Herzen und Köpfe zu gewinnen und die Bevölkerung wegzuholen von Taliban und Terroristen“.36 Die in Uruzgan aktiven Rebellen dürften den Straßenbau allerdings nicht nur aufgrund dieser Aussage als Infrastrukturprojekt zugunsten einer forcierten Aufstandsbekämpfung interpretieren – bekanntlich werden befestigte Transportrouten sowohl von einheimischen Bauern als auch von Militärpatrouillen genutzt.

Die Entscheidung der Niederländer, gerade die deutsche GTZ zu beauftragen, dürfte nicht zuletzt aus deren langjährigen Erfahrungen mit dem Straßenbau in Aufstandsgebieten resultieren. Recherchen des Journalisten Karl Rössel zufolge gehörte die Entwicklungsagentur Mitte der 1990er Jahre zu den Durchführungsorganisationen des „Bondoc Development Program“ auf den Philippinen. Im Rahmen des Projekts wurden zunächst Transportwege für das philippinische Militär in einem Operationsgebiet der maoistischen Guerilla New People’s Army (NPA) gebaut. Entlang des entstandenen Straßennetzes organisierte die GTZ dann „Musterdörfer“, deren Bewohner ökonomische Unterstützung erhielten – die Aufschüttung künstlicher Riffe aus Autoreifen etwa sollte dazu beitragen, die Fischereiwirtschaft zu fördern. Als Gegenleistung mussten die Bewohner der „Musterdörfer“ die Straßen ihres jeweiligen Bezirks kontrollieren und Aktivitäten der Rebellen an die lokalen Militärbehörden melden.37

Parallel zu ihrer Kooperation mit dem Militär kümmert sich die GTZ in Afghanistan auch um den Aufbau der Repressionskräfte. Auf einem 16.000 Quadratmeter großen Grundstück im Süden Kabuls errichte man ein neues „nationales Hauptquartier“ für die Bereitschaftspolizei (Afghan National Civil Order Police/ANCOP), vermeldet die Entwicklungsagentur stolz. Die Baukosten in Höhe von 2,64 Millionen Euro würden je zur Hälfte von Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten übernommen, heißt es.38

Wenn sich also der amtierende Entwicklungsminister, Reservehauptmann Dirk Niebel (FDP), davon überzeugt zeigt, dass „Entwicklungshilfe“ und Aufstandsbekämpfung zwei Seiten derselben Medaille sind und meint, in Afghanistan sollten die „Aktivitäten unserer Hilfsorganisationen … dort konzentriert werden, wo die Bundeswehr aktiv ist“39 – dann entspricht das längst der gängigen Praxis der GTZ. Vor diesem Hintergrund ist es auch nur folgerichtig, mit Oberst Friedel Eggelmeyer gleich einen veritablen Militär zum Abteilungsleiter für Afghanistan zu ernennen, wie es Niebel getan hat.

4. Fazit

„Zivil-militärische Zusammenarbeit“ ist – ganz im Sinne ihrer Erfinder – ein „ganzheitliches“ – sprich totalitäres – Konzept. Es sieht die Verzahnung aller gesellschaftlichen Bereiche mit dem Militär vor, was mit weiteren Euphemismen bemäntelt wird, etwa mit der Rede vom „erweiterten Sicherheitsbegriff“ oder von der „vernetzten Sicherheit“. Ziel ist stets die Steigerung der Fähigkeit zur Kriegführung:

Im Inland wird die Bevölkerung mittels Bürgerkriegsmanövern wie LÜKEX für den Kampf gegen den „inneren Feind“ mobilisiert; neben den Reservisten der Bundeswehr stehen mittlerweile auch zahlreiche zivile Experten und Organisationen im Dienst des „Heimatschutzes“, der sich ebenso gegen „Terroristen“ wie gegen Protestierende oder Streikende wendet. Wer die heimische Infrastruktur gegen Störungen aller Art und Angriffe feindlicher Kombattanten sichert, gewährleistet einerseits die Versorgung der kämpfenden Truppe und schafft dieser andererseits einen Erholungs- und Rückzugsraum. So wird etwa durch die Kooperation des zivilen Gesundheitswesens mit dem militärischen Sanitätsdienst – ein weiterer abendfüllender Aspekt unseres Themas – die medizinische Betreuung an Leib und Seele verwundeter Soldaten deutlich verbessert. Dies wiederum wirkt sich nicht nur positiv auf das Image der Bundeswehr in der Öffentlichkeit und bei den Angehörigen der Verletzten aus, sondern steigert auch die Einsatzbereitschaft der Soldaten und ermöglicht nach erfolgter Genesung deren „Wiederverwendung“.

In den ausländischen Operationsgebieten der deutschen Streitkräfte dient die „zivil-militärische Zusammenarbeit“ mit lokalen Eliten und Repressionskräften der Schaffung eines „sicheren Umfelds“ für die kämpfende Truppe. Die Kooperation mit formal unabhängigen Hilfsorganisationen wirkt darüber hinaus als Akzeptanz-Werbung im Sinne der Besatzungstruppen; das positive Image humanitärer Einrichtungen soll gleichsam auf die Bundeswehr „abfärben“. Da es sich zudem mit Helfern einfacher spricht als mit Soldaten, ermöglicht die Zusammenarbeit mit einer humanitären Organisation das Beibringen von Informationen, die die Militärs zwar zur Generierung eines „Lagebildes“ unbedingt brauchen, aber von der einheimischen Bevölkerung nicht unbedingt freiwillig erhalten.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

1 Zivil-Militärische Zusammenarbeit in Deutschland, www.streitkraeftebasis.de.

2 Bundesministerium der Verteidigung (BMVg): Weißbuch 2006 zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr, Berlin 2006, S. 13.

3 Vgl. ebd., S. 67.

4 Ebd., S. 67f.

5 Siehe hierzu und im Folgenden: CIMIC ist mehr, www.bundeswehr.de, Zitate ebd.

6 Siehe hierzu und im Folgenden: Bundesministerium des Innern (BMI): LÜKEX 09/10: Bund und Länder üben Krisenmanagement, Pressemitteilung v. 15.01.2010; Patricia Linnertz: Vom Staube verweht. Nationale Gefährdung durch „Schmutzige Bomben“, in: Behörden-Spiegel, November 2009, S. 66f. sowie Übung für Atom-Anschlag am Flughafen, www.ksta.de 04.01.2010.

7 Landeskommando Nordrhein-Westfalen; www.streitkraefteunterstuetzungskommando.bundeswehr.de.

8 Bezirksregierung Arnsberg (NRW): „Das ist nicht zu toppen“, Pressemitteilung v. 25.04.2007.

9 Zivil-militärische Zusammenarbeit heißt auch Verbindung zu halten, www.streitkraeftebasis.de 26.01.2007.

10 Patricia Linnertz: Vom Staube verweht, a. a. O., S. 67.

11 Flughafen Köln/Bonn glänzt mit neuem Abfertigungsgebäude, www.terrwv.bundeswehr.de

12 Siehe hierzu und im Folgenden: Bezirksverbindungskommando Köln übt im länderübergreifenden Krisenmanagement, www.streitkraefteunterstuetzungskommando.bundeswehr.de 27.01.2010.

13 Eine neue Perspektive: Psychologie im CBRN-Schutz, www.bbk.bund.de 12.01.2010.

14 Siehe hierzu die Angaben zu den Förderkennzeichen (FKZ) 13N9629, 13N9641, 13N9767 sowie 13N10799 in der Datenbank des BMBF unter www.foerderportal.bund.de.

15 Ebd. (FKZ 13N9767).

16 Einsatz für tEODor, www.bundeswehr.de 14.12.2005.

17 Aufklärungsdrohne KZO, www.rheinmetall-defence.net

18 Wabep – Wirkmittel zur abstandsfähigen Bekämpfung von Einzel- und Punktzielen, www.rheinmetall-defence.net

19 Siehe Fußnote 14 (FKZ 13N10799).

20 Ebd.

21 Ebd. (FKZ 13N9641).

22 Bewilligte Projekte aus dem Themenfeld „Schutz von Verkehrsinfrastrukturen“, www.bmbf.de.

23 Siehe Fußnote 14 (FKZ 13N9629).

24 Bewilligte Projekte aus dem Themenfeld „Schutz von Verkehrsinfrastrukturen“, www.bmbf.de.

25 Fakultät für Psychologie/Arbeitseinheit Arbeits- und Organisationspsychologie: Laufende Forschungsprojekte – Wehrpsychologisches Qualitätsmanagement, www.ruhr-uni-bochum.de.

26 Siehe Fußnote 1.

27 Vgl. Katja Roehder: Verhältnis von militärischen und entwicklungspolitischen Komponenten beim Wiederaufbau in Post-Konflikt-Situationen. Bericht zum Studientag am 22.09.2003 im Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Bonn 2003, S. 3; Zitate ebd.

28 Vgl. ebd., S. 1; Zitate ebd.

29 Vgl. Entwicklungspolitik als Sicherheitspolitik, www.bmz.de, Zitate ebd.

30 Vgl. Jahresthema 2009: Sicherheit entwickeln – Entwicklung sichern, www.gtz.de, Zitate ebd.

31 Zur Kritik der Verquickung von Besatzungs- und Entwicklungspolitik in Afghanistan siehe auch Claudia Haydt: „Vernetzte Sicherheit als neue Sicherheitsdoktrin“. Afghanistan in der entwicklungspolitischen Sackgasse, in: IPPNW-Forum, Nr. 120, 2009, S. 24.

32 Vgl. Edda Schlager: Partner in Uniform, in: Akzente, Nr. 1, 2008, S. 40ff., Zitate ebd.

33 Zur Selbstdarstellung des Sonderforschungsbereichs 700: „Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit: Neue Formen des Regierens?“, den hier durchgeführten Forschungsprojekten und den hier erarbeiteten Publikationen siehe www.sfb-governance.de. Eine kritische Betrachtung des SFB 700 bietet die AG Paul Revere (Hg.): Failing Science. Embedded Stakeholders. Wider den SFB 700, Karlsruhe 2009. Siehe in diesem Zusammenhang auch Peer Heinelt: Herrschaftswissen. „SFB 700″: Ein Institut an der FU Berlin liefert Informationen und Strategiekonzepte für bundesdeutsche Großmachtpolitik, in: Junge Welt v. 15.09.2008, Nr. 216, S. 10f.

34 Jan Koehler/Christoph Zürcher: Quick Impact Projects in Nordost-Afghanistan. Eine Studie im Auftrag des BMVg, Berlin 2007, S. 26.

35 Vgl. ebd., S. 40; Zitat ebd.

36 Zit. n. Tarin Kowt: Deutsche Straße „gegen Taliban und Terroristen“, dpa 02.05.2009.

37 Vgl. Karl Rössel: Operation Bondoc. Deutsche Entwicklungshilfe zur Aufstandsbekämpfung, Osnabrück 1995.

38 Vgl. Afghanistan: Neues Hauptquartier für Bereitschaftspolizei; www.gtz.de, Zitat ebd.

39 Zit. n. Raus aus Afghanistan. Der Ruf nach einem Abzug der deutschen Soldaten wird immer lauter, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 03.01.2010, Nr. 53, S. 1.

Kommentare sind geschlossen.