EU: FRIEDENSNOBELPREISTRÄGERIN WIRD KRIEGSMACHT

Als das Norwegische Nobelkomitee am 9. Dezember 2012 der EU den Friedensnobelpreis verlieh, beschrieb es “ als wichtigste Errungenschaft der EU ( ..) den erfolgreichen Kampf für Frieden und Versöhnung und für Demokratie sowie die Menschenrechte; die stabilisierende Rolle der EU bei der Verwandlung Europas von einem Kontinent der Kriege zu einem des Friedens.“ Die EU selbst bezeichnet als ihre Ziele:

Friedenserhaltung
Stärkung der internationalen Sicherheit
Förderung der internationalen Zusammenarbeit
Entwicklung und Konsolidierung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie Einhaltung der Menschenrechte und Grundfreiheiten  (Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU)

Aber entspricht die Politik der EU immer noch den selbst gesteckten Zielen? Hier einige dem widersprechende Äußerungen und Fakten:

1. „Unsere erste, und dringend notwendige Aufgabe ist es, die Streitkräfte der Mitgliedstaaten wiederaufzubauen, zu verstärken und zu modernisieren. Dabei sollte sich Europa darum bemühen, die nächste Generation militärischer Fähigkeiten zu entwickeln und bereitzustellen. Und sicherzustellen, dass wir über ausreichend Material und die technologische Überlegenheit verfügen, die wir künftig benötigen. Mit anderen Worten: Die Kapazitäten unserer Verteidigungsindustrie müssen innerhalb der nächsten fünf Jahre massiv hochgefahren werden.“  (Ursula von der Leyen germany.representation.ec.europa)

2. „Wir müssen die europäischen Verteidigungsausgaben gemeinsam beschleunigen. Aber so wie der Krieg in Europa nicht der Vergangenheit angehört, muss die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich das Zeichen der Zukunft in Europa sein“.(Ursula von der Leyen Euronews)

3. „Um zu vermeiden, dass wir zu den Verlierern des Wettbewerbs zwischen den USA und China werden, müssen wir die Sprache der Macht neu lernen und uns selbst als geostrategische Akteure der obersten Kategorie begreifen.“ (Josep Borrell, EU-Außenbeauftragter, 13.2. 2020).

Stufen der Entwicklung

Nach den beiden Weltkriegen beschlossen 6 westeuropäische Staaten, allen voran Deutschland und Frankreich, in den Bereichen Kohle und Stahl zusammenzuarbeiten (Zweckgemeinschaft). Allmählich kamen weitere wichtige politische Bereiche hinzu. So entstand eine Verflechtung in wichtigen Bereichen der Politik. (Entwicklung von der Montanunion 1952 bis hin zu den Verträgen von Maastricht 1993 und Lissabon 2009)

Zunehmende Militarisierung (Vertrag von Maastricht):

Mit dem Vertrag von Maastricht wurde die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), sowie die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GASP) eine der wichtigen Säulen der EU und zugleich der Beginn der zunehmenden Militarisierung der EU.

Ihre Ziele sind folgende: strategische Sicherheits- und Verteidigungskultur, Konflikte und Krisen gemeinsam angehen zu können, Schutz der Bürger, Weltfrieden und internationale Sicherheit stärken. Dazu ging es zunächst allgemein um Weiterentwicklung im militärischen Bereich (u.a. Forschung, Industrie, Rüstung). 2016 erfolgte eine Konkretisierung und Präzisierung insbesondere auch einer globalen Strategie.

Ziele: Sicherheit der EU, Widerstandsfähigkeit der Staaten und Gesellschaften in der südlichen und östlichen Nachbarschaft der EU (!?), ein integrierter Ansatz zur Bewältigung von Konflikten, auf Zusammenarbeit beruhende regionale Ordnungs- und globale Ordnungspolitik für das 21. Jahrhundert

Umsetzung:

Die Verteidigung soll jährlich überprüft werden.

Eine ständige strukturierte Zusammenarbeit (SSZ) wird für willige Staaten beschlossen (inzwischen nehmen alle Staaten der EU teil).

Es entstehen (finanzielle) Verpflichtungen im Bereich Sicherheit und Verteidigung.

Ergänzt wird die Strategie 2021 durch den strategischen Kompass mit Empfehlungen zu den Bereichen Krisenbewältigung, Resilienz, Kapazitäten und Partnerschaften.

Finanzierung der Militarisierung und Aufrüstung:

Eigentlich verbietet der EU-Vertrag die Finanzierung von Verteidigung und von Projekten mit militärischen Bezügen aus dem EU-Haushalt. Trotzdem finden solche Projekte statt u.a. indem man sie entweder aus dem Haushalt auslagert oder als Industriepolitik deklariert.

Zu nennen sind:

1.der europäische Verteidigungsfonds (EVF) mit 8 Mrd € (Aufstockung um 1,5 Mrd 2024) für Erforschung und Entwicklung von länderübergreifenden Rüstungsprojekten.

2.die europäische Friedensfazilität, zuständig für die Finanzierung von EU-Militäreinsätzen und der Aufrüstung befreundeter Akteure. (geplant: 5,7 Mrd € bis 2027, 2023 auf 12 Mrd € aufgestockt), aktuell hauptsächlich Waffenlieferungen an die Ukraine. Der Außenbeauftragte der EU, J. Borrell plant weitere 20 Mrd € für die Waffenbeschaffung.

3.die Förderung der Rüstungsindustrie u.a. der Munitionsproduktion (Verordnung ASAP) mit 1 Mrd € (500 Mill € aus dem Haushalt, 500 Mill € aus den Mitgliedsländern) Die EU greift so in den Prozess der Rüstungsproduktion ein.

4.die gemeinsame Beschaffung von militärischem Material durch Mitgliedsländer. (300 000 Mill € aus dem Haushalt).EDIPRA.

Deutschland steuert in der Regel 25% der Ausgaben bei und zwar aus dem allgemeinen Haushalt. Die Ausgaben für den militärischen Bereich der EU erhöhten sich rasant von 156 Mrd € 2014 auf 240 Mrd € 2022.

„Missionen“, militärische Aktionen und Projekte der EU:

– 40 Missionen der EU auf drei Kontinenten und 22 Ländern, davon 9 militärische z. B. in Mali und Niger, der letzte im Roten Meer.

-Frontex; Diese Agentur wurde zum Schutz der Außengrenzen und der Küsten eingerichtet und beschäftigt sich heute hauptsächlich mit der Verhinderung der Einreise bzw. Abwehr von Migranten auch durch bewaffnete Grenzschützer.

-PESCO: Diese verfolgt eine gemeinsame Verteidigungspolitik von Mitgliedsstaaten mit verbindlichen Zielen. z.B. finanziellen, der Durchführung von gemeinsamen militärischen Projekten. Als Endziel soll eine europäische Vereidigungsunion entstehen.

– Stärkung der europäischen Verteidigung durch den Aufbau einer eigenen schnellen Eingreiftruppe von 5000 Soldat/innen

-Förderung der Rüstungsindustrie in den Ländern der EU

-Diskussion um die Ernennung eines Kommissars für die Verteidigung

Wahlen:

Die Ampelparteien sowie die CDU/CSU setzen sich in ihren Wahlprogrammen für eine noch stärkere Zusammenarbeit im militärischen Bereich, insbesondere der Rüstung, und deren Finanzierung ein. Ebenfalls befürworten sie das Amt eines europäischen „Verteidigungsministers“. Auch die AFD spricht sich für eine Aufrüstung mit massiver Förderung der nationalen Rüstungsindustrie aus, strebt aber eine Unabhängigkeit von den USA an und legt den Schwerpunkt auf die Stärkung der BRD. Als einzige im Bundestag vertretene Partei lehnt die Linke die Militarisierung der EU ab.

Fazit:

Die EU hat den Friedensnobelpreis nicht verdient.

Sie entfernt sich immer mehr von ihren ursprünglichen Zielen in Richtung einer zunehmenden Militarisierung und Beteiligung an Einsätzen außerhalb ihrer Grenzen. Dies passt nicht zu einer Staatengemeinschaft, die den Friedensnobelpreis erhalten hat.

Die EU muss sich auf ihre eigentlichen Ziele besinnen, Diplomatie und Kooperation mit anderen Staaten in den Vordergrund stellen, um der Gefahr eines größeren Krieges in Europa und anderswo vorzubeugen statt die Gefahr von militärischen Konflikten zu vergrößern.

 

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